Propaganda der Angstmacher

Die Berichter­stat­tung über Pan­demien konzen­tri­ert sich oft auf Worst-Case-Szenar­ien – ohne Rück­sicht auf tat­säch­liche Wahrschein­lichkeit­en. Deswe­gen muss man die Frage stellen, wie die Medi­en Ein­fluss nehmen auf die Men­schen und auch auf poli­tis­che Entschei­dun­gen. In dieser Ver­anstal­tung wollen wir diese Fra­gen disku­tieren und dazu medi­enpsy­chol­o­gis­che Forschung aus dieser und anderen Pan­demien zu Hil­fe nehmen.

Medi­en lieben Pan­demien – wegen der schlecht­en Nachricht­en, der täglichen News und weil man das Unvorherge­se­hene pen­etri­eren kann. Zeitun­gen, Fernse­hen und sozialen Medi­en kön­nen mit­tels Fram­ing Unsicher­heit, aber auch Selb­st­be­wusst­sein in die Gesellschaft hinein­tra­gen. Auch die damit ver­bun­dene Ver­ant­wor­tung wollen wir the­ma­tisieren.

Die Ein­stel­lung zu alarmistis­chen Mel­dun­gen, prägt die jour­nal­is­tis­che Ein­fältigkeit alter­na­tiv­er Medi­en und selb­ster­nan­nten Jour­nal­is­ten der Quer­denker Szene.

Angst­mach­er sehen ihre ihre Arbeit nur als ökonomis­chen Grund ihrer Aufmerk­samkeit zu steigern. Aufmerk­samkeit ist das Über­lebens­mit­tel viel­er Quer­denker Pro­tag­o­nis­ten. Je tiefer ein Selb­st­darsteller fällt, desto größer wer­den seine ver­schwörung­sid­i­o­tis­chen Abhand­lun­gen zum All­t­ags­geschehen.

AUF1 ste­ht laut Selb­st­darstel­lung als Abkürzung für “Alter­na­tives Unab­hängiges Fernse­hen, Kanal 1”, ver­bre­it­et über seinen Sender jedoch immer wieder Falschin­for­ma­tio­nen und Ver­schwörungserzäh­lun­gen. In den Beiträ­gen ist von “Impf-Massen­tö­tung”, der “tödlichen Tran­shu­man­is­mus-Agen­da” oder einem “Asyl-Tsuna­mi” die Rede.

Die The­men, die AUF1 behan­delt, wür­den in große Weltver­schwörungserzäh­lun­gen ein­ge­ord­net, sagt Jan Rath­je, Senior Researcher vom Cen­ter für Mon­i­tor­ing, Analyse und Strate­gie (CeMAS). Auf ein­mal sei alles “Teil ein­er großen Ver­schwörung mit dem Ziel der Aus­löschung der weißen Bevölkerung in Europa”.

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Das recht­sex­treme „Compact“-Magazin ist ein Gewin­ner der Coro­na-Krise. Das vom Bun­de­samt für Ver­fas­sungss­chutz 2020 als „Ver­dachts­fall“ eingestufte Blatt ist so etwas wie ein Leitmedi­um der Szene aus AfD-Wäh­lerin­nen und ‑Wäh­lern, „Querdenker“-Demonstrierenden und Ver­schwörungs­gläu­bi­gen.

Zu den Coro­na-Schutz­maß­nah­men von Bund und Län­dern brachte „Com­pact“ im März 2021 eine Son­der­aus­gabe her­aus; „Coro­na Dik­tatur“ ste­ht in großen Let­tern auf dem Titel. Abge­bildet sind darauf drei Polizis­ten in ABC-Schutzanzü­gen vor ein­er dystopis­chen Katas­tro­phen­szene mit aus­ge­bombten Hochhäusern. Drohnen schweben über den Köpfen. Eine Illus­tra­tion wie aus einem apoka­lyp­tis­chen Spielfilm.

Erst kam Coro­na, jet­zt die explodieren­den Energiepreise. Immer mehr rechte Grup­pierun­gen rufen in Deutsch­land zu Demon­stra­tio­nen gegen die Regierung auf, von der AfD über die “Freien Sach­sen” bis hin zu recht­sex­trem­istis­chen Parteien wie “Die Neue Stärke”. Wer steckt dahin­ter? Und was sind deren Ziele?

Nun set­zen Recht­sex­treme und Quer­denker auf das näch­ste Aufregerthe­ma: Palästi­na. Sie fan­tasieren von Umsturz und einem dro­hen­den Bürg­erkrieg.

Ver­schwörungside­olo­gien kon­stru­ieren immer auch ein­fache Welt­bilder und Rollen: Da gibt es die bösen Ver­schwör­er und die Guten, welche die Ver­schwörung aufdeck­en und bekämpfen. Um die Geg­n­er zu beschreiben, greifen Ver­schwörungside­olo­gen auf Feind­bilder und Erzäh­lun­gen zurück, die eine lange Tra­di­tion haben spielt die anti­semi­tis­che Vorstel­lung ein­er jüdis­chen Weltver­schwörung eine her­aus­ra­gende Rolle. Ein nicht zu unter­schätzen­des Ele­ment von Ver­schwörungside­olo­gien ist deren iden­titäts­bildende Funk­tion.

Diese Ver­schwörungside­olo­gien und Anti­semitismus hän­gen miteinan­der zusam­men, denn sie funk­tion­ieren ähn­lich. Sie per­son­ifizieren gesellschaftliche Zusam­men­hänge, indem sie „Schuldige“ aus­machen.

Im Anti­semitismus wird die Schuld für alles Schlechte, für das Übel der Welt, jüdis­chen Men­schen zugeschrieben: Sie seien die heim­lichen “Strip­pen­zieher” und  kon­trol­lierten Poli­tik und Weltwirtschaft. Die anti­semi­tis­che Vorstel­lung, jüdis­che Men­schen wür­den die Welt kon­trol­lieren und von Grund auf böse sein, recht­fer­tigt anti­semi­tis­che Aggres­sion und Gewalt.

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Zahlen brin­gen Inhalte auf den Punkt und liefern die harten Fak­ten hin­ter der bloßen Mei­n­ung. Doch sie kön­nen auch lügen. Manche Zahlen­pro­duzen­ten ver­fol­gen eigene Inter­essen, während sie eine ser­iöse Daten­grund­lage vortäuschen: Sie ver­harm­losen oder bauschen auf, machen poli­tisch Stim­mung oder buhlen schlicht um Aufmerk­samkeit. Auch Ver­schwörungs­the­o­rien warten mit ein­er Fülle an Sche­in­fak­ten auf, verz­er­ren jedoch den Blick ihrer Anhänger auf die Wirk­lichkeit.

Ohne klare Def­i­n­i­tion sind Zahlen nicht brauch­bar. Vor allem sind sie nicht immer ver­gle­ich­bar. Was nicht nur falsch, son­dern auch unser­iös ist: aus einem Ver­gle­ich solch­er Zahlen sog­ar einen Trend herauszu lesen.

Eine der­ar­tige Inter­pre­ta­tion der Quer­denker ist Irreführung der Öffentlichkeit. Auf diese Art und Weise Trends zu fab­rizieren ist das beste Rezept, um die Zahlen für Auf­fäl­ligkeit­en in ver­rück­te Höhen zu treiben. Hochrech­nun­gen auf Basis verz­er­rter Stich­proben und schwammiger Def­i­n­i­tio­nen fachen die gefühlte Infla­tion der Fake News zusät­zlich an.

Schlagzeilen für Aufmerk­samkeit wer­den ungeprüft veröf­fentlicht. Richtig­stel­lun­gen gibt es nicht, denn zwis­chen­zeitlich wur­den weit­er reißerische Angst­mach­er Beiträge veröf­fentlicht.

Es sind gold­ene Zeit­en für Besser­wiss­er und Angst­mach­er, in denen sich die Welt ger­ade befind­et. Die Coro­na-Pan­demie war ein glob­ales Prob­lem, für das nie­mand eine allum­fassende Lösung hat­te.

Fündig wer­den wird man vor allem bei Ver­schwörungs­the­o­retik­ern und Ver­wirrten, die noch dazu das ver­lock­ende Gefühl ver­mit­teln, zu einem erleuchteten Kreis dazuzuge­hören, weil sie die Wahrheit präsen­tieren. Was die Ver­schwörungsmys­tik­er zu ihrer anderen Gemein­samkeit bringt: Was die Sys­temme­di­en veröf­fentlichen, als falsch zu diskred­i­tieren. Was nicht fehlen darf, ist Wer­bung um auch noch so sinnbe­fre­ite Artikel oder Büch­er an die Zahlschafe zu vertreiben.

Der selb­ster­nan­nte Jour­nal­ist und Quatschjurist Markus Haintz, bietet nicht nur Unter­las­sungserk­lärun­gen aus eige­nen Hause gegen Twit­ter Accounts. Mit sein­er IBAN und Büch­ern sowie dubiosen Medika­menten und Prep­per Uten­silien flutet er seine Social Media Kanäle.

„Quer­denken“ ist wed­er Vere­in, Fir­ma, noch Stiftung. Dem rbb sagte Grün­der Michael Ball­weg, es han­dele sich um eine „demokratis­che Bewe­gung“. In einem Inter­view mit dem Ver­schwörungside­olo­gen Ken Jeb­sen spricht er von ein­er Organ­i­sa­tion ohne Spitze. Recherchen von Net­zpoli­tik und dem „ZDF Mag­a­zin Royale“ mit Jan Böh­mer­mann zeigen auf, dass „Quer­denken“ vor allem eins ist: Michael Ball­weg selb­st. Das scheint lukra­tiv zu sein. Ball­weg schloss mit einem Unternehmer aus Baden-Würt­tem­berg einen Ver­trag ab, der ihm 20.000 Euro brin­gen sollte. Ein­nah­men von Fanar­tikeln, für die in Telegram­grup­pen der Bewe­gung offen­siv gewor­ben wird, gehen zum Teil an Ball­weg, lokale Ini­tia­tiv­en sehen offen­bar nichts von den Erlösen.